Runneburg           Runneburg
     
Runneburg / Weissensee / Thüringen
BAU-
GESCHICHTE

Umfassende Veränderungen, die dennoch die romanische Substanz weitgehend schonten, erfahren Palas und Palasturm in vermutlich mehreren Etappen im 16. Jahrhundert. Das Ältestes der nachmittelalterlichen Gebäude des Burggeländes ist ein von Westen an den Palasturm anschließender zweigeschossiger Bau, der in einer Quelle des 19. Jahrhunderts "Alte Küche" genannt wird. Der noch nicht untersuchte Bau entstand wohl im 16. Jahrhundert. Nahezu im Zentrum der Burganlage, dem Palaskomplex gegenüberliegend, befindet sich das sogenannte Torhaus, ein langgestreckter, stattlicher Renaissancebau des beginnenden 17. Jahrhunderts. Den Raum zwischen Torhaus und der Alten Küche schließt das zweigeschossige, remisenartige "Wagenhaus", wodurch der Eindruck einer rechtwinklig zueinandergeordneten, nach Osten offenen Dreiflügelanlage entsteht. Jüngstes Gebäude im Burggelände ist das preußische Landratsamt des Kreises Weißensee von 1890-1892 im Nordteil der Anlage.

Hatte die historische Forschung die landesgeschichtliche Bedeutung der Weißenseer Burg bereits relativ früh erkannt oder zumindest postuliert, so war die architekturgeschichtliche Neubewertung abhängig von Zufallsentdeckungen einiger "Hobbybauforscher" in den achtziger Jahren unseres Jahrhunderts. In Folge der damaligen, teilweise rücksichtslosen Entkernungen im Palas mußte die Fachwelt aber bald erkennen, daß die Runneburg möglicherweise eine der letzten Chancen der kunst- und architekturgeschichtlichen Forschung ist, einen stauferzeitlichen Palas- und Burgkomplex von dieser baulichen Qualität und in diesen noch vorhandenen Ausmaßen zu untersuchen und sein mittelalterliches Erscheinungsbild zu erschließen. Die Runneburg gilt inzwischen als einer der am besten erhaltenen romanischen Profanbauten Deutschlands und ist ein Beleg dafür, wie die moderne baugeschichtliche Forschung unser Bild vom hochmittelalterlichen Burgenbau zu korrigieren zwingt.

Der Bau des Weißenseer Palas wurde zeitlich etwas später begonnen, als der der Wartburg. Kürzlich hat der Kunsthistoriker Meckseper auf die deutliche strukturelle Verwandschaft beider Palatien hingewiesen.

Es ist durchaus anzunehmen, daß auf beiden Burgen dieselben hochqualifizierten Architekten und Bauhütten tätig waren, was - wie Meckseper festhält - wohl in Reflexion des Wartburgpalas dazu führte, daß "in der Gesamtkonzeption des Runneburg Palas eine ausgewogenere räumliche Klarheit" angestrebt wurde und in Teilbereichen,

z.B. bei den Arkadenfenstern, die "architektonische Komplexität" der Wartburg noch übertroffen wurde.

Längsschnitt
Längsschnitt, Rekonstruktion Bauphase II.

Es gibt eine Reihe weiterer architekturgeschichtlicher Verknüpfungsmöglichkeiten zu den anderen wichtigen Ludowingerburgen, vor allem zur Neuenburg in Freyburg, aber auch zur Eckartsburg. Aufgrund der reichsfürstlichen Stellung der Thüringer Landgrafen im 12./13. Jahrhundert ist es nicht verwunderlich, daß der künstlerische und bauliche Anspruch des Runneburger Palas nicht hinter dem vergleichbarer Königspfalzen, wie z.B. Gelnhausen oder Goslar, zurückstand.

4. Zusammenfassung und Zuordnung der romanischen Bauphasen zu den überlieferten Datierungen

(nach Kozok 1998, > Meckseper/Möller/Stolle 1998)

Die I. Bauphase ist auf keinen Fall vor das chronikalisch überlieferte Jahr 1168 zu datieren. Erst 1204 haben wir einen eindeutigen Hinweis auf die Existenz der Burganlage. In jenem Jahr muß die Burg verteidigungsfähig gewesen sein, so daß wir von einer in weiten Bereichen fertiggestellten Burg ausgehen können.

Wie durch Grabungen mehrfach belegt werden konnte, ist dem Bau der Burg die Anlage eines mächtigen Erdwalls vorausgegangen. Vielleicht können wir so die Passage des Reinhardsbrunner Chronisten interpretieren, der verwundert oder belustigend schrieb "sie [Landgräfin Jutta] begann gleichsam als Garten bei Weißensee eine Burg zu errichten" Der Bau mag mit dem Ringwall sukzessiv seit 1168 errichtet worden sein. Die Datierung der Keramikfunde belegt jedenfalls die Bautätigkeit in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts.

Weitere Hinweise zur Datierung gibt die Bauornamentik. Als weitere Vergleichsmöglichkeit bleibt noch die Kapitellplasik, die von Lieb in die Zeit um 1180/90 datiert worden ist.

So bleibt festzuhalten, daß die ersten Bauphasen in die Zeit zwischen 1168 und 1190 datiert werden können.

Erdgeschoß
Erdgeschoß, Rekonstruktion mit
Eintragung der Bauphasen.

Die endgültige Fertigstellung des Palas in der II. Bauphase dürfte in die Zeit nach den kriegerischen Auseinandersetzungen der Jahre 1204 und 1212 fallen.

Möglicherweise stehen lediglich Instandsetzungsarbeiten an. Der Bau des Palas ist in weiten Teilen bereits als abgeschlossen zu sehen.

Der Neubau der aufwendigen Treppenanlage gehört bereits in die III. Bauphase. Der Bau dieser Treppe, deren Formensprache mit denen der Bauphasen I und II übereinstimmt, kann nur kurze Zeit später erfolgt sein. Möglicherweise steht die "glänzende Versammlung" von 1225, wie Brinkmann sie nannte, in Zusammenhang mit einer solch repräsentativen Anlage. Das heißt, das Treppenhaus dürfte entweder für diesen Anlaß geschaffen oder für nächstfolgende Festlichkeiten errichtet worden sein, nachdem festgestellt wurde, daß der bisherige Zugang den Ansprüchen nicht genügte.

Die nächstfolgenden Baumaßnahmen der Bauphase IV (u. a. Aufstockung des Nord- Ostanbaues) können ebenfalls nur wenig später erfolgt sein. Datierung: um oder nach 1225.

Die Aufstockung des Nord-Westanbaues während der Bauphase V ist aufgrund der angewandten Mauertechnik als relativ später anzusehen. Trotzdem kann nur gesagt werden: um oder nach 1225, jedenfalls nach Bauphase IV.

Ergebnis

So wahrhaft spröde, wie sich die Burg zur Zeit präsentiert, vermittelt sie dem Betrachter wenig über ihr einstiges prachtvolles Erscheinungsbild. Der Palas-Kernbau stellt in seinen drei Geschossen ein einheitliches Gesamtkonzept dar, auf das auch der Anbau eines außergewöhnlichen, für die romanische Zeit singulären Treppenhauses Bezug nimmt.

Gehen wir auf der Südfassade von Drillingsarkaden aus, so stellt sich eine Repräsentationsarchitektur dar,

Obergeschoß
Obergeschoß, Rekonstruktion
mit Eintragung der Bauphasen.

die anderen Residenzen wie der Kaiserpfalz zu Goslar oder der Wartburg um nichts nachstand. Mit den Rekonstruktionszeichnungen stellt sich uns eine Anlage vor Augen, deren Erbauungszeit sich nach den bauarchäologischen und bauhistorischen Ergebnissen in zahlreiche Bauetappen, möglicherweise bereits von dem legendären Gründungsdatum 1168 bis in das 1. Viertel des 13. Jahrhunderts hinzog. Damit fällt der Baubeginn in die Regierungszeit des Landgrafen Ludwig II. (1140-1172). Der Ausbau der Burg fand unter Ludwig III. (1172-1190) statt und die Fertigstellung erfolgte unter Landgraf Hermann I. (1190-1217). Die Umbauten dürften Ludwig IV. (1217-1227), Gemahl der 1235 heiliggesprochenen Elisabeth von Thüringen, zugesprochen werden.