Runneburg           Runneburg
     
Runneburg / Weissensee / Thüringen
BAU-
GESCHICHTE

3. Baugeschichte, Architektur
und kunsthistorische Bedeutung

Das Gelände der Burg stellt ein sehr ebenes, weiträumiges Plateau dar, welches bis auf den in gleicher Höhe gelegenen Marktplatz das gesamte Stadtgebiet von Weißensee und auch die unmittelbare Umgebung deutlich überragt. Die den Innenraum von annähernd 1,5 ha umfangende Ringmauer beschreibt im Grundriß ein unregelmäßiges Oval mit Achsen von ca. 150 m und 120 m.

Am Fuße des Burghügels, dessen außerhalb der Mauer liegende Teile zusätzlich steil abgeböscht wurden, zog sich ursprünglich ein in den anstehenden Gipsfelsen eingetiefter Sohlgraben von 13 m Breite und 4 m Tiefe um die gesamte Anlage.

Den einzigen mittelalterlichen Zugang zur Burg stellte die Toranlage an der Ostseite des Berings dar. Es handelt sich um ein mächtiges tonnengewölbtes Kammertor, dessen zum Markt gewandte Außenfront eine repräsentative Blendgliederung aus seitlichen Lisenen und darüberliegendem Bogen- und Röllchenfries ziert.

Beherrschender Bestandteil der Bebauung des Innenraumes ist der hochmittelalterliche Komplex von Palas und dem an dessen westlicher Schmalseite unmittelbar angefügten Palasturm.

Trotz späterer Überformung, Fehlnutzung und Vernachlässigung ist mit ihm einer der bedeutendsten profanen Baukörper der deutschen Romanik überkommen, dessen ursprüngliche Strukturen und komplexe Bauabfolge erst durch die jüngste Forschung hinreichend erhellt wurden. Vor allem die Umbauten im 16. und 19. Jahrhundert führten zu einem unausgewogenen, wenig repräsentativen Bauäußeren, dessen Erscheinungsbild mitentscheidend für den jahrzehntelangen "Dornröschenschlaf" der Anlage werden sollte.

Der Bestand an romanischer Bausubstanz der Burganlage umfaßt neben großen Teilen der Ringmauer und dem Burgtor in erster Linie den Komplex von Palas und Palasturm.

Südfassade
Südfassade: Steingerechte Umzeichnung
nach photogrammatischer Aufnahme.

Als eindeutig älteste Bautätigkeit wurden auch in dessen Umfeld die Überreste eines gewaltigen Erdwalles nachgewiesen. Sein Verlauf entspricht wohl exakt dem der etwas jüngeren Ringmauer. Die mächtige Baugruppe von Palas , hofseitigen Palasanbauten und Palasturm ist das Ergebnis einer komplizierten , über acht Jahrhunderte andauernden Bautätigkeit.

Die bauliche Entwicklung dieses unausgesetzt genutzten Gebäudes muß als Spiegelbild der jeweiligen Bedeutung der Burganlage betrachtet werden.

Palas und Palasturm bilden einen von Beginn an gemeinsam konzipierten Baukörper, der im wesentlichen noch im ausgehenden 12. Jahrhundert fertiggestellt war.

Der Turm besitzt heute noch fünf Geschosse. Eine darin erhaltene steinerne Treppenanlage zählt zu den frühesten in vergleichbaren Wohntürmen.

Das zweiräumige Kellergeschoß des Palas, dessen Errichtung mitsamt dem Erdgeschoß noch während des Turmbaus fortgeführt wurde, weist keinerlei besondere Ausstattungsdetails auf. Die zweiräumige Aufteilung des Kellers setzt sich im Erdgeschoß fort. Beide leicht unterschiedlich große Räume besaßen hofseitig repräsentative rundbogige Portale.

Nordfassade
Rekonstruktion der Nordfassade (Bauphase II).
»Geplante« Fassadenansicht mit hypthetischem
Zugang zum Obergeschoß.

Jeweils östlich dieser Portale öffnete sich ein aus einer Drillingsarkade bestehendes Fenster. In jedem Raum wurde die Decke von einer mittig stehenden Säule unterstützt. Die Säule des östlichen Raumes ist erhalten, ihre außergewöhnliche Gestalt verdient besondere Aufmerksamkeit. Regelmäßig angeordnete, stilisierte Aststümpfe zieren ihren Schaft, machen ihn gleichsam zum Baumstamm - ein äußerst seltenes Motiv hochmittelalterlicher Bauplastik in Deutschland.

Wohl nach einer gewissen Unterbrechung des Baufortganges erhielt der Palas neben dem turmartigen Nord-Ostanbau ein Obergeschoß in Gestalt eines die gesamte Gebäudegrundfläche einnehmenden flachgedeckten Saales. Erschlossen wurde dieser über ein sehr großes Portal in seiner Nordwand. Östlich davon öffneten sich zwei gewaltige Drillingsarkaden. Seine Südwand war auf ihrer gesamten Länge in einer siebenfachen pfeilergestützten Arkatur aufgelöst, in deren Rundbögen ebenfalls große dreigeteilte Fenster saßen. Der ursprüngliche Raumeindruck des monumentalen, lichtdurchfluteten, sich nach Süden weithin zur Landschaft öffnenden, Saales muß gewaltig gewesen sein. Hier läßt sich hier der architektonische Anspruch reichsfürstlichen Bauens wohl am unmittelbarsten nachvollziehen.

Der gleichzeitig mit dem Saalgeschoß errichtete dreigeschossige Nord-Ostanbau rückt hofseitig bündig an die östliche Schmalseite des Palas. Eine nächste, umfassende Baumaßnahme führte noch im ausgehenden 12. Jahrhundert, bzw. um 1200 zur Aufgabe der repräsentativ gestalteten Hoffassade des Palas.

Im Westteil dieser Front, unmittelbar vor dem Hauptportal des Obergeschoßsaales liegend, wurde ein zweiter turmartiger Anbau errichtet. In dem so neu geschaffenen, unmittelbar vor der Doppelarkade des Saales gelegenen, zweigeschossigen Raum erfolgte der Einbau eines etwa zwei Meter breiten, zweifach gewinkelten steinernen Treppenlaufes, der über einen ebensobreiten rundbogigen Durchgang von Osten her das Obergeschoß des Nordwestanbaus erreichte und von diesem Vorraum aus den Saal durch dessen Hauptportal erschloß. Ein solches Treppenhaus muß für den hochmittelalterlichen Profanbau als in seiner Gestalt einzigartig bezeichnet werden.

Nordosten
Rekonstruktion Bauphase III
von Nordosten - Isometrie.

Archäologisch nachgewiesen wurde ein weiterer aufwendiger Wohnbau, der dem Palasturm etwa um 1200 von Norden her angefügt wurde und ein Ausgreifen der Bebauungsstrukturen auf den Innenraum der Anlage belegt. Das nur in Teilen erfaßte Gebäude von enormer Größe besaß im Kellerbereich eine Steinofenluftheizung, die sein Erdgeschoß erwärmte - ein seltenes Zeugnis hochadeligen Wohnkomforts dieser Zeit.

Diesem Wohnbau östlich benachbart, dicht an die Palashoffront herangerückt, legte die Grabung einen Brunnen frei. Bei 27 m Tiefe enthielt dessen Verfüllung in ihrem untersten Teil einen umfangreichen Komplex hölzerner und lederner Alltagsgegenstände der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, deren Qualität und Erhaltungszustand ebenfalls hochadeligen Anspruch beweist. Ein zweiter, bislang noch nicht untersuchter Brunnen liegt im Zentrum der Anlage, zwischen Torhaus und dem ehemaligen preußischen Landratsamt, der heutigen Grundschule. Als ältestes Gebäude im Bereich zwischen Burgtor und Palas konnte ein mächtiger quadratischer Turmstumpf, der sogenannte Östliche Streitturm, ergraben werden. Er besitzt bei annähernd 10 m Seitenlänge eine Mauerstärke von etwa 3,50 m. Ringmauer und Turm konnten deutlich vor 1200 datiert werden.