Runneburg           Runneburg
     
Runneburg / Weissensee / Thüringen
BAU-
GESCHICHTE

1. Einleitende Bemerkungen

Die Erforschung der Runneburg wird unvollständig bleiben, wenn man nicht an ihre Fundamente oder tieferen Mauerpartien gelangt, die sich heute unter den Fußböden oder unter der Oberfläche des die Gebäude umgebenden Geländes befinden. Auch alle Bauelemente, die infolge von Zerstörungen oder Umbauten von der Erdoberfläche verschwunden sind, müssen bedacht werden. Selbst wenn ihr Abriß gründlich war, bleiben meist ihre Fundamente oder wenigstens deren Abdrücke erhalten. Wir müssen damit rechnen, daß heute existierende Gebäude an der Stelle eines früheren, in den Quellen nicht erwähnten Baues entstanden, dessen Relikte nur durch archäologische Ausgrabungen aufgedeckt werden können. Im Rahmen der interdisziplinären Forschungen auf der Runneburg hat die Bauarchäologie einen erheblichen Beitrag geleistet. Die Verknüpfung mit der klassischen Bauforschung hat wesentliche Fragen der frühen Baugeschichte der Burg geklärt.

2. Bauarchäologie

Vom 12. bis 15. Jahrhundert ist auf der Runneburg eine Randhausbebauung anzunehmen und mehrfach nachgewiesen. Ab dem späten 16. Jahrhundert wurde diese Bebauung bis auf den Palasturm - Palaskomplex aufgegeben. Die Bauten des 17. bis 19. Jahrhunderts nahmen kaum Bezug und Rücksicht auf frühere Gebäude.

Eine kunstgeschichtliche Würdigung der Runneburg wäre unvollständig, würde man nicht das umfänglich geborgene archäologische Fundmaterial mit in die Betrachtung einbeziehen.

Es zeigt sich als ein direktes Spiegelbild des höfischen Alltages der reichsfürstlichen Burganlage. Zahlreiche exzeptionelle Einzelfundstücke von herausragender kunsthandwerklicher Qualität verkörpern für sich allein, aber auch in ihrer Gesamtheit, denselben hohen künstlerischen Anspruch, wie er bereits am Bauwerk nachgewiesen werden konnte.

Ein Teil dieser mittelalterlichen Hinterlassenschaften kann im Burgmuseum besichtigt werden.

Die mittelalterliche Bauphasenentwicklung läßt sich inzwischen klarer ablesen und die Einbeziehung bisher unbekannter romanischer Bauten in die Gesambetrachtung der Runneburg als ganzes objektivieren deren kultur- und baugeschichtliche Einordnung in den ludowingischen Burgenbau und darüber hinaus. Die wichtigsten Ergebnisse der bauarchäologischen Forschung lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Der von einigen Historikern postulierte Zusammenhang zwischen der Runneburg und dem "runibergun" aus dem 6. Jahrhundert ist aufgrund der archäologischen Befundlage bisher auszuschließen.

  • Die Überformung des Bergspornes und die Errichtung erster steinerner Bauten beginnt in der Mitte des 12. Jahrhunderts. Zu diesem Zeitpunkt dürfte auch das Wall-Graben System entstanden sein.

  • Für die heutige romanische Burgtoranlage konnte ein Vorgängerbau der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts ergraben werden.

  • Der aus den Archivalien bekannte "Streitturm an der Morgenseite" (Östlicher Streitturm) wurde wiederentdeckt und in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert.

  • Im Bereich des Streitturmes wurden vier Blidenkugeln von etwa 100 kg Gewicht gefunden, die wohl in einem Zusammenhang mit der Belagerung des Jahres 1212 stehen.

  • Die archäologischen Befunde sprechen dafür, daß ab der Mitte des zwölften Jahrhunderts eine Randhausbebauung entstand. Entlang der Burgmauer ist offensichtlich die gesamte ehemalige Keller- oder Erdgeschoßgeschoßebene im Rahmen großflächiger Hofplanierungen verschüttet worden.

Streitturm

  • Die aufgehenden Mauerwerkspartien des Palasturm-Palas-Komplexes mit dem Nord-Ostanbau sind in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts zu datieren.

  • Die Ausgrabung des romanischen Brunnens nördlich vor dem Palas erbrachte einen einmalig geschlossenen Fundkomplex von Zeugnissen ludowingerzeitlicher höfischer Kultur (um 1235), u. a. zahlreiche Holz- und Lederfunde.

  • Nördlich vor dem Palasturm wurde das Untergeschoß eines ursprünglich wohl aufwendig gestalteten Gebäudes (um 1200) freigelegt, wobei eine Steinofen-Luftheizung entdeckt wurde.

  • Die romanische Eingangssituation und die Erschließung der Palasgeschosse über die neuentdeckte Treppenanlage konnte erstmalig archäologisch nachgewiesen werden, wobei eine archäologische Datierung in die letzten Jahrzehnte des 12. Jahrhunderts für die Erschließung des Palassaalgeschosses als gesichert gelten kann.

  • Drei aufgefundene Bestattungen aus dem 14./15. Jahrhundert im Bereich des Östlichen Streitturmes bzw. seiner Anbauten können kulturgeschichtlich noch nicht eingeordnet werden. Hinweise auf eine Burgkapelle im Bereich östlich des Palas sind daraus nicht abzuleiten.